Frühlingsgefühle im Herbst – 12 gute Gründe für das Klettern in Katalonien (Nordspanien)
Eine eindrucksvolle Felskulisse empfängt uns. Und wir Kletterer haben in Katalonien Glück, denn nicht nur die Landschaft ist bezaubernd, sondern auch das Klettern.
Katalonien, das ist Wohlfühlen auf den ersten Blick. Wenn man herumfährt, grüßen einen die Felsen wie liebevolle Onkel und Tanten, die auf einen warten. Und so fühlte es sich sofort vertraut und familiär an. Und vor allem: Es fühlte sich verdammt richtig an, genau jetzt hier zu sein.
Auch das Wetter hatte sich während unseres Aufenthaltes Ende Oktober alle Mühe gegeben, es uns so angenehm wie möglich zu machen. Mit diesem Sahnehäubchen auf der Torte erlebten wir Rahmenbedingungen wie im Frühling statt im Herbst: Aufbruchstimmung, alles zog uns nach draußen und an die Felsen.
In Katalonien gibt es ein großes Angebot an Klettergebieten, von denen wir zwei kennengelernt haben:
- zwei Gebiete in der Region Lleida und
- zwei Klettergärten südwestlich von Barcelona.
Damit haben wir nur einen kleinen Ausschnitt aus dem riesigen Felsenangebot zum Klettern in Katalonien gesehen. Aber es hat mich überzeugt, und die Liste ließe sich sicher noch endlos fortsetzen, aber an dieser Stelle sollen 12 Gründe genügen, um meine Begeisterung für das Klettern in Katalonien zu erklären:
Klettern in Katalonien – 12 gute Gründe!
Gerade wenn es bei uns im Norden zu kalt und ungemütlich zum Felsklettern ist, bietet sich ein Kletterurlaub in Katalonien an. Und auch wenn es dort bekanntlich keine Wettergarantie gibt, so kann man sich doch bestimmt auf ein paar sonnige Klettertage freuen.
Und wie entscheidend genau dieser Sonnenfaktor ist, erfuhren wir an einem Klettertag in Coll de Nargó: 7 Grad zeigte das Thermometer während der Anfahrt. Wenige Minuten später standen wir am Fuße des Felsens in der Sonne und konnten im T-Shirt klettern. So grandios kann Klettern in Katalonien sein!
Felsen im Überfluss
Zu Hause auf dem Sofa träumte ich mich mit dem Kletterführer „Roca España“ in der Hand an die Felsen Kataloniens – die Texte und Bilder klangen verheißungsvoll: raue Felsen in Hülle und Fülle, blauer Himmel trifft auf sattes Grün, eine schier endlose Auswahl an Routen … Ja, da musste ich hin!
Und trotz dieser Vorbereitung kam ich auf dem Weg dorthin und während der Fahrt kaum aus dem Staunen heraus:
Fels über Fels lag am Wegesrand, einer hübscher als der andere, gekrönt von verwunschenen Felslandschaften und Schluchten, die zum Klettern einluden. Es war wie eine Lakritzschnecke, die man ausrollt und langsam in den Mund schiebt: Der letzte Bissen ist genauso willkommen wie der erste, und zwischendurch schmeckt es auch!
Kletterführer Katalonien
In Katalonien wird seit langem geklettert, und die Region hat einige Kletterführer. Neben dem
- „Roca España“ – 1. Auflage von 2012: 70 Sportklettergebiete in den Pyrenäen und Aragon
hatten wir noch zwei weitere Kletterführer im Gepäck:
- „Lleida Climbs“ – 3. Auflage 2019: 22 Klettergebiete mit fast 3.900 Wegen
- „Barcelona y Alrededores – Volumen 1 Parte Sur“ – 2017: 47 Klettergebiete
Mit dieser Kombination sind wir im Kletterurlaub gut gefahren. Bei Bedarf gibt es weitere lokale Kletterführer, die zum Teil vor Ort erhältlich sind.
Einen guten Überblick bietet der „Roca España“ als Auswahlführer für den Norden. Anders als der Name vermuten lässt, enthält er auch Mehrseillängenrouten. Einige Gebiete in Lleida sind enthalten, aber der „Lleida Climbs“ umfasst erwartungsgemäß deutlich mehr Sektoren und Touren.
Für unsere Tage in der Region Lleida ergänzten sich die beiden sehr gut, da wir im „Roca España“ einige für uns interessante Mehrseillängenrouten und Sportklettersektoren entdeckten, die im umfangreicheren „Lleida Climbs“ nicht enthalten waren.
Der „Barcelona y Alrededores – Volumen 1 Parte Sur“ war unser Kletterführer für die Tage, die wir südwestlich von Barcelona verbrachten. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Sportklettern. Obwohl der Führer nur auf Spanisch ist, haben wir uns mit Hilfe der Kamerafunktion unseres Online-Übersetzers zurechtgefunden.
Sportklettern UND Mehrseillängen
Der Schwerpunkt des Kletterns in Katalonien liegt auf dem Sportklettern, und hier gibt es für Freunde von Routen mit Schwierigkeiten bis maximal 6a+ einiges zu entdecken!
Die Auswahl ist so groß, dass man zwischen kürzeren und längeren Routen, verschiedenen Gesteinsarten und Neigungswinkeln des Felsens wählen kann – quasi die Qual der Wahl.
Freunde des Mehrseillängenkletterns bis 6a+ müssen sich dagegen – zumindest wenn sie mit unseren Kletterführern unterwegs sind – mit einer überschaubaren, aber erfreulich schönen Auswahl an Routen begnügen.
In der Region Lleida sind dies vor allem:
- Sant Llorenç de Montgai und
- Coll de Nargó, die in dem Bereich etwas zu bieten haben.
Nach der Lektüre der drei Kletterführer war ich mir nicht sicher, welche Art und vor allem welche Qualität von Haken uns beim Klettern in Katalonien erwarten würde. Alle drei haben ein eigenes Kapitel zu diesem Thema und verweisen auf die unterschiedlichsten Arten und Zuverlässigkeit.
Vor Ort dann die positive Überraschung: Wir kletterten durchweg an vertrauenswürdigen Sicherungen. Einige der älteren Routen waren sichtlich saniert und nebenbei die Hakenabstände entschärft worden. Trotzdem:
Die Hakenabstände beim Sportklettern sind eher klassisch als für die touristische Infrastruktur gewählt. Auch bei Mehrseillängentouren lädt die Absicherung eher dazu ein, Routen unterhalb des Kletterlimits zu wählen. Eine gute Vorstiegsmoral ist ebenfalls von Vorteil.
Unterkunft und Gastronomie
Ob Campingplatz, Ferienwohnung oder Hotel – die Wahl bleibt jedem selbst überlassen. Und die gute Nachricht: In Katalonien gibt es alle Alternativen. Sogar mehr oder weniger felsnah. Und da sich das Klettern in Katalonien auf Herbst, Winter und Frühjahr und damit auf die touristische Nebensaison konzentriert, findet man ein echtes Angebot.
Verhungern muss man in Katalonien auch nicht:
- In den größeren Orten gibt es alles, was das Herz begehrt: Selbstversorger gehen in die Supermärkte, und wer sich verwöhnen lassen will, hat meist die Wahl zwischen verschiedenen Bars und Restaurants.
- Für kleinere Orte gibt es dagegen keine festen Regeln. Eher heißt es: Hingehen, suchen und ausprobieren. Und wem das zu viel Überraschung ist, der kann sich natürlich vorab im worldwideweb informieren. Eine Garantie für die Aktualität der Daten gibt es nicht.
Wer sich nicht selbst versorgen will, muss sich allerdings auf die dortigen Essenszeiten einstellen. Und die sind anders als in Deutschland.
Die klassischen Essenszeiten sind mittags von 12.30 bis 15.30 Uhr und abends sollte der Hunger nicht vor 20 Uhr übermächtig werden. Erst dann öffnen die ersten Restaurants, oft auch erst später.
Einige Restaurants haben nur mittags oder am Wochenende auch abends geöffnet. Und dann gibt es noch die Bars und Lokale, die zwischendurch Tapas anbieten, um die Zeit bis zum Abendessen zu überbrücken.
Gerade diese Nicht-Öffnung am Abend hat mich zunächst verwundert. Aber als fleißige Mittagsesserin war das gar nicht so schlimm. Früh an den Fels und dann einfach um 15 Uhr eine warme Mahlzeit genießen und ins After-Climbing-Vergnügen einsteigen.
Das Mittagessen besteht oft aus einem Drei-Gänge-Menü inklusive Wasser und Wein oder Bier als Komplettangebot. Der anschließende Kaffee muss jedoch meist extra bezahlt werden.
Zu jedem Gang gibt es zwei oder drei Alternativen zur Auswahl. Inklusive Wasser und Wein haben wir zwischen 14,90 Euro (das örtliche Bar-Restaurant in einem kleinen Dorf) und 26 Euro (gehobene Küche in der Stadt) bezahlt. Mir hat es immer geschmeckt!
Ich könnte mich leicht daran gewöhnen: Vom Fels kommen, Hände waschen und um 15 Uhr am gedeckten Tisch sitzen. Dann kann der Abend ganz entspannt kommen.
Apropos Abend: Wir haben zwei Orte in der Region Lleida besucht und zwei Kletterkneipen gefunden. Eine davon sogar mit angeschlossener Indoor-Kletteranlage (Coll de Nargó). Vielleicht war es Zufall und Glück, doch vielleicht verstecken sich in den anderen Orten noch mehr. Die Chancen stehen jedenfalls gut.
Noch mehr Infos zu den Felsen
Bei der Ankunft, ich wiederhole es gerne, wird man von atemberaubenden Schluchten, sich auftürmenden Felsen und insgesamt einer schlichtweg spektakulären Kulisse empfangen. Diese Fülle an Felsen ist nicht nur eine Augenweide, nein, sie hat auch einen fußfreundlichen Vorteil für das Klettern in Katalonien:
Bei so vielen Möglichkeiten gibt es einfach keinen Grund, schwer erreichbare Felsen mit langen Zustiegen zu erschließen.
Ich empfinde die kurzen Zustiege als echtes Geschenk. Langweilig wird es trotzdem nicht, denn das reichhaltige Angebot hält für jeden etwas bereit:
- für Sport- und für Mehrseillkletterer,
- für Freunde der gemäßigten Grade und
- für Menschen, die sich an ihrem Limit ausprobieren wollen.
Das wirklich Schöne am Klettern in Katalonien ist die Nähe von leichten und schweren Routen. Natürlich gibt es auch homogene Sektoren: Die stark überhängenden Gebiete sind den Schwerkletterern vorbehalten, aber es gibt auch sehr heterogene Wände.
So können Seilschaften mit unterschiedlichen Ansprüchen an den Schwierigkeitsgrad gemeinsam auf Tour gehen, ohne Kompromisse eingehen zu müssen: Weder sind die leichten Routen nur Restbegehungen, noch sind die schwierigeren Routen Einzelstücke von zweifelhaftem Genuss. Es gibt genug zu klettern für alle!
Und die Qualität der Felsen ist dementsprechend gut, denn durch die Vielfalt des Angebots werden uninteressante oder solche von zweifelhafter Festigkeit von vornherein aus dem Erschließungsdrang ausgeklammert.
Wie nicht anders zu erwarten, sind die neuen Routen rauer und die älteren manchmal – sagen wir mal – liebevoll poliert. Auch die Hakenabstände sind in den neueren Routen meist etwas moderater. Das gilt für Sportkletterrouten ebenso wie für Mehrseillängenrouten.
Bei aller Freude über den zeitgemäßen Zustand ist mir aber auch bewusst, dass sich jemand darum kümmern muss und das Material auch nicht zum Nulltarif zu haben ist. In der Kletterkneipe in Coll de Nargó sind wir auf eine „Bolt-Fund-Box“ gestoßen, die wir gerne gefüttert haben.
Während unserer Kletterzeit in Katalonien haben wir vier verschiedene Klettergebiete besucht. Nirgendwo waren wir allein, aber auch nicht überlaufen. Tendenziell war es beim Mehrseillängenklettern etwas ruhiger als beim Sportklettern.
Mehr Informationen zu den besuchten Gebieten gibt es hier:
- Sant Llorenç de Montgai – Mehrseillängen bis 6a+
- Coll de Nargó – Sportklettern und Mehrseillängen bis 6a+
- La Facu – Sportklettern bis 6a+
- La Font de l’Amettló – Sportklettern bis 6a+
La Facu – Sportklettern bis 6a+
Südlich von Barcelona, und nur einen Katzensprung von der Küste entfernt, liegt die Wand von La Facu.
Die Lage ermöglicht ein entspanntes Wohnen mit Meerblick und das Klettergebiet ist dann nur wenige Autominuten entfernt.
Informationen gibt es im Kletterführer „Barcelona y Alrededores“, der recht dick ist und neben dem Felsriegel von La Facu mit über 70 Routen von 4c bis 6c+ 46 weitere Klettergärten bietet.
Der Zustieg ist mit etwa 20 Minuten moderat. Man kommt in der Mitte an und kann sich dann entscheiden, ob man rechts oder links klettert.
Der Klettergarten ist sonnig ausgerichtet und bietet dem Sichernden immer wieder Schattenplätze.
Man ist nicht der Erste, der dem Ruf von La Facu gefolgt ist, um in Katalonien zu klettern: Die patinierten Tritte und Griffe zeugen davon.
Fazit: Ein einladendes Klettergebiet, das genug Kletterspaß für mindestens einen Tag bietet.
La Font de l’Amettló – Sportklettern bis 6a+
Wunderbar abgeschieden ist die Wand von La Font de L’Amettló, nicht weit von La Facu entfernt und doch überraschend anders.
Wir waren wieder mit dem Kletterführer „Barcelona y Alrededores“ unterwegs. La Font de l’Amettló bietet 56 Routen mit Schwierigkeiten von 4a bis 7a. Der Zustieg ist mit 5 Minuten angegeben.
Das Tolle daran ist, dass die Routen tatsächlich über alle Schwierigkeitsgrade verteilt sind. Selten findet man eine solche Streuung so dicht beieinander. Die Struktur reicht von geraden, leicht geneigten Wänden bis hin zu einer großen Höhle mit Sinterfelsen. Für jeden Geschmack ist etwas dabei!
Die Zufahrt ist eine kleine Herausforderung. Schon nach wenigen Metern haben wir uns gegen die Zufahrtsstraße und für den Feldweg entschieden. Wir haben das Auto lieber an der Abzweigung geparkt. Der Zustieg, der mit einem kleinen Klettersteig endet, verlängert sich dadurch um rund 8 Minuten.
Auch La Font de l’Amettló ist der Sonne zugewandt und bietet immer wieder die Möglichkeit, aus dem Schatten heraus zu sichern. Und auch hier gilt: Wir waren nicht die ersten Kletterer dort, eine geschmeidige Patina weist einem den Weg, aber das schmälert den Kletterspaß in keiner Weise.
Wenn ich nur einen Klettertag in der Gegend hätte und mich für einen der beiden Klettergärten entscheiden müsste, würde ich mich für La Font de L’Amettló entscheiden. Die abgeschiedene Lage in Kombination mit den schönen, abwechslungsreichen und anspruchsvollen Routen spricht mich mehr an.
Fazit – Klettern in Katalonien
Es war ein sehr entspannter Urlaub. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Klettern und das Drumherum so viel Spaß machen würde. Das gute Wetter hat sicher seinen Teil dazu beigetragen, aber auch die freundlichen Menschen, die grandiose Landschaft und die große Auswahl an Felsen sind ein echter Pluspunkt für das Gebiet.
Die gute Mischung aus Mehrseillängen- und Sportkletterei macht Katalonien als Kletterdestination attraktiv. Auch die Unterkunftssituation, man kann in kleinen Orten mit ausreichender Infrastruktur übernachten und trotzdem die Ruhe genießen, sind perfekte Rahmenbedingungen für eine erholsame Zeit.
Klettern in Katalonien – wir kommen wieder!
Hardfacts für eilige Lesende
Kletterführer: Es gibt sowohl regionale Kletterführer, die vor Ort gekauft werden können, als auch Auswahlführer für die Region. Für die Region Lleida empfiehlt sich der „Lleida Climbs“. Einen ersten Überblick über die Pyrenäen und Aragon bietet auch der „Roca España“. Für den südlichen Teil empfiehlt sich der „Barcelona y Alrededores – Volumen 1 Parte Sur“.
Klettern: Sportklettern und Mehrseillängen in vielen Gebieten. Zahlreiche Sektoren für Sportkletterer bieten eine große Auswahl an kürzeren und längeren Wegen, an geneigten und überhängenden Wänden und in allen Schwierigkeitsgraden. Für Kletterer bis 6a+ gibt es genügend Auswahl für einen ausgedehnten Kletterurlaub.
Material: Für die Mehrseillängen empfehlen sich Doppelseile, da vor allem in den leichteren Routen das Abseilen der übliche Weg zurück zum Felsfuß ist. Manchmal geht es auch mit 70 m Einfachseil, aber das ist nicht so bequem. Es gibt Tradrouten, aber auch genügend eingerichtete Routen, um viele Klettermeter zu machen. Die Absicherung ist eher klassisch, so dass man nicht allzu viele Exen am Gurt haben muss.
Anreise: Zum Klettern in Katalonien kann man mit dem Zug (Sant Llorenç de Montgai hat einen Bahnhof!), mit dem Auto oder Bulli und für die ganz Eiligen mit dem Flugzeug nach Barcelona anreisen. Weiter geht es dann mit dem Zug oder dem Mietwagen.