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Klettern im Kaunertal – der kleine, feine Klettergarten Keilschrofen

Keilschrofen ist genau der richtige Ort zum Klettern im Kaunertal für Kletterer, die ganz in Ruhe die Schwelle zum 5. Franzosengrad  angreifen wollen.

Hier finden Kletterer keine gute, sondern eine sehr gute Absicherung vor, wenn sie den steilen, doch gut zu bewältigenden Aufstieg hinter sich gebracht haben.

Achims Gips war mittlerweile seit dreieinhalb Wochen ab.

Gips?

Ein gebrochener Finger führte zu sechs Wochen Gips von den Fingerspitzen bis fast zum Ellenbogen und einer ungewollten noch drei Wochen längerer Kletterpause. Freden Nord fordert Opfer, doch das ist eine andere Geschichte und wird an anderer Stelle erzählt.

Jedenfalls war der Gips ab, Handgelenk und Finger wieder halbwegs beweglich und wir waren auf der Suche nach leichtem Gelände. Achim sollte entspannt ausprobieren, was der Finger und die mit ihm stillgelegten Strukturen drum herum bereits wieder können.

Intensive Physio-Einheiten lagen hinter ihm.

„Maike, ich wusste gar nicht, was man 20 Minuten mit einer Hand alles machen kann …“

Auch sah unser Wohnzimmer aus wie ein Großhandel für Handtherapie-Trainingsgeräte. Und Achim nutzte alle fleißigst.

All das lies in ihm die Hoffnung keimen, es könnte wieder gehen und er fragte sich, ist der aktive Felskontakt wirklich wieder möglich?

Wir überlegten hin und her. Es ist immer noch so eine Zeit, die kurzfristige Entscheidungen attraktiv aussehen lässt. Da las ich in der aktuellen Klettern einen Bericht über das Kaunertal und über das Klettern in Keilschrofen.

Es sei eine nicht so touristische Ecke Tirols, so las ich interessiert, mit Mehrseillängen und auch einigen Klettergärten. Das klang interessant. Und Wandern sollte in den Alpen eh überall möglich sein.

Mit dem Wissen, dass die Region zum Climbers Paradise gehört, würde sich in allen Schwierigkeitsgraden etwas gut abgesichertes im Angebot finden lassen.

Augen auf bei der Gebietswahl

Gute Absicherung war neben den Schwierigkeitsgraden bei der Gebietswahl für mich wichtig, denn es war klar, ich werde Achim die Seile einhängen.

Natürlich steige ich vor, auch mir unbekannte Routen. Doch normalerweise ruhe ich mich gerne auf dem Wissen aus, dass er im Zweifelsfall die letzten Meter vorsteigt und ich dann ein gemütliches Toprope nutzen kann.

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Er, also Achim, hört es nicht so gerne, doch ist er mein lebendiger Clipstick. In diesem Urlaub war jedoch alles anders, er wollte seine nach-Gips-Kletterkarriere mit einigen Toprope Routen vorsichtig beginnen. Ich sollte dieses Mal die Seileinhängerin (oder meinetwegen auch die Clipstickin) sein.

Ein erster Versuch im Ith unmittelbar nach der Gips-Entfernung war gründlich schief gegangen und hatte nur zu unnötigen Schmerzen geführt.

Ich kann zwar flüssig mit Keilen und Friends umgehen, doch mag ich feste Haken einfach gerne. Gerade wenn es in neue Gebiete geht und ich onsight einsteige, dann sind sie nicht zu verachten.

Achims kletterabstinente Zeit hatte ich mit Besuchen der örtlichen Boulderhalle und Felstreffen mit einer Freundin, deren Mann eine ähnliche Rolle in ihrem Kletterleben spielt, überbrückt.

Gute Unterstützung hat mir in der größten Not mein nicht-menschlicher Clipstick gebracht, den ich für den ersten Kletterurlaub mit der gleichen Freundin im Frühjahr letzten Jahres angeschafft hatte.

Wir zehren heute noch von diesem Urlaub, denn wir waren Anfang Februar 2020 auf Teneriffa. Damals hörte man bereits von Corona, doch es war alles noch weit, weit weg und hatte keine wirkliche Bedeutung für uns.

Zurück ins Kaunertal …

Lasst uns einen weiteren Blick auf Achim werfen. Er ist zwar gerne etwas übermütig, doch irgendwie hatte ich es geschafft, ihn vom Versuch abzuhalten, den Vorstiegshelden zu spielen .

Schnell fanden wir heraus, dass das Kaunertal zwei Klettergärten bietet, die sich für Aspiranten bis 6a+ anbieten. Wir entschieden, uns zuerst den kleineren der beiden anschauen, der kürzere Routen im Angebot hat – Klettern in Keilschrofen war unser Begehr.

Laut Topo gibt es im unteren Sektor drei Routen und im oberen sieben – mit dem Schwerpunkt im 5. Franzosengrad. Für den ersten Kletter-Wiedereinstieg sollte uns die Auswahl ausreichen. Damit bestände auch nicht die Gefahr, es gleich zu übertreiben.

Und fragt nicht, warum ich auf die Idee komme, er könne einem solchen Verhalten anheimfallen …

Klettern im Kaunertal – Keilschrofen, wir kommen!

Beide gutgelaunt und Achim voller aufgeregter Kletter-Vorfreude machten wir uns auf den Weg zum Fels. Es war ein sonniger Tag und wir ließen die ganz dicken Klamotten direkt im Auto, das wir in der Nähe des Quellalpins (Hallenbad in Feichten) abgestellt hatten.

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Während des Zustiegs von circa 35 – 40 Minuten wurde uns ordentlich warm und zur Abkühlung genossen wir das alpine Ambiente und schauten uns einfach den imposanten Wasserfall auf der gegenüberliegenden Talseite an.

Die Entscheidung, ob wir unser erstes Mal Klettern im unteren oder oberen Sektor von Keilschrofen anfangen, wurde uns abgenommen, denn der Zustieg zum Unteren erschloss sich uns nicht. Da oben eh mehr zu holen sei, war das auch gar nicht schlimm.

Im oberen Sektor angekommen begrüßte uns eine strukturierte Granitwand von 10 bis 15 Metern Höhe mit vielen, wirklich vielen blitzenden Haken. Bei näherem Hinsehen stellten wir fest, dass es eine Mischung aus Bühlern und Expansionshaken ist – also innerhalb jeder Route.

Ob da für den Bericht in der Klettern noch einmal nachsaniert worden ist?

Auf der rechten Seite, der zum Abgrund hin, befanden sich in den Fels eingelassene Zaunpfähle und am untersten hing weiteres Material herum.

Unsere These war, es sollte da noch etwas in Punkto Sicherheit, insbesondere für spielende Kinder, passieren. Auch sahen wir von hier diverse Umlenker, die nicht zu dem Topo passten, dass wir von der Seite climbers-paradise(dot)com heruntergeladen hatten.

Nach einer kurzen Verwunderung ignorierten wir das und schauten uns lieber den vor uns liegenden Sektor an.

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Nicht ohne dabei etwas zu frösteln, denn der Sektor lag noch komplett im Schatten und das ist auf gut 1.500 Höhenmetern auch im August recht frisch. Glücklich, jeder noch eine dünne Jacke dabei zu haben, schauten wir uns die Wand an.

„Sieht schon etwas brüchig aus, was meinst du, Achim?“

„Das wirst du gleich merken, aber wenn das in der Klettern war, dann vermute ich, es ist gut aufgeräumt.“

Trotzdem setzten wir vor meinem ersten Vorstieg lieber beide einen Helm auf, sicher ist sicher.

Klettern in Keilschrofen – es geht los …

Meine erste Route war die Biffi, eine 5a (5+). Als onsight und zum Aufwärmen für mich ein gewagter, aber nicht unlösbarer Grad. Die gute Absicherung bewundernd stieg ich selbstbewusst ein. Und es war klar, es gibt gerade eh keine Alternative.

Nach und nach entwickelte ich ein Gefühl für den Granit und seine Strukturen. Vor allem lernte ich, dass die abschüssigen Tritte gut halten und dass, wenn man nur lange genug sucht, sich immer wieder schöne Schuppen für die Hände und Dullen für die Füße auftun.

Schon bald war ich am Umlenker. Diese sind hier übrigens alle mit einer Kette gesicherte Schnappkarabiner. Schnell noch eine Exe dazu und zurück ging es zu Achim.

Lässig und gar nicht ungewohnt sah es aus, wie er sich einband. Nur das Toprope wirkte deplatziert, doch Klettern war das Ziel, nicht Übereifer.

Achim stieg ein und stellte schnell wie ich fest, dass die Wand von unten strukturierter aussieht als wenn man mitten drin ist. Doch auch er kletterte Meter um Meter empor und ich konnte sein felsglückliches Grinsen immer wieder erhaschen.

„Maike, es geht wieder! Die Strukturen hier sind total super für meine Hand“, hörte ich ihn mir von unterwegs voller Freude zurufen, „und fester als sie aussehen sind sie auch.“ Auch er kam bald am Umlenker und dann wieder neben mir an.

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„Tatsächlich hat das besser geklappt als ich erwartet hatte …“

Wir arbeiteten uns bei unserem ersten Tag im Kaunertal nun von links nach rechts vor. Es folgte noch eine 5a, die vom Anspruch wirklich der ersten sehr ähnlich ist. Dann kommt eine 5b, die wirklich nur etwas schwerer daherkommt, doch sind gleich die Einstiegsmeter die 5b-Stelle.

Mittlerweile war die Sonne herum gekommen und wir lernten wieder, welche enorme Kraft sie in den Alpen auch Ende August noch hat. Glücklich über die kurzen Hosen und die ganz warmen Sachen im Auto suchten wir zumindest beim Sichern und beim Picknicken die Schattenplätze auf.

Klettern in Keilschrofen – von rechts nach links

In der Reihenfolge von rechts nach links kommen nun drei 5c. Die erste startet mit einem haarigen Einstieg und ich bin froh, dass wir sie über die 5b von oben eingehängt hatten. Doch nachdem der gemeistert war, löste sich die Kletterei wunderbar auf.

Beim Einstieg hatte ich etwas Angst um Achims Finger, da ich diesen als sehr kleingriffig wahrgenommen hatte, doch Achim kann seine etwas größere Reichweite ausspielen und lässt mit der rechten Hand einfach meine kleinen Griffe aus.

In der mittleren 5c sind die ersten Meter wirklich nur kleingriffig und das für die rechte sowie die linke Hand.

Meinen Vorschlag an Achim, in diese Route nicht einzusteigen, nimmt er mit einer Mischung aus knurrendem „ich will aber klettern“ und Vernunft an. Es macht einfach keinen Sinn, am ersten Klettertag aus Übermut etwas zu riskieren.

Die folgende 5c ist so kurz, dass ich das Klettern ablehne. Wir überlegen dafür, ob wir es für Achims ersten Klettertag genug sein lassen oder ob wir über einen der neuen Umlenker abseilen, um uns die unteren neuen Routen anzuschauen.

Klettern im Kaunertal und gerade hier in Keilschrofen hatte uns freundlich begrüßt, da sei dieser Gedanke erlaubt.

Achim setzt sich durch und schon bald verschwand er über den Absatz nach unten.

„Maike, hier sind gar keine Haken außer den Umlenkern. Ich sehe nur Schrauben in der Wand.“

Eine kurze und anstrengende Diskussion – wir konnten uns wegen eines Daches nicht sehen – später entschieden wir, dass es nun doch für den ersten Klettertag reichen sollte.

Ich baute das Material oben ab, ließ das Seil hinunter und folgte dem Weg, den wir bereits hochgekommen waren, bis ich Achim wieder traf.

Er grinste mich wie das sprichwörtliche Honigkuchenpferd an, „ich kann wieder klettern!“

Keine Frage, ich freute mich mit ihm. Er ist und bleibt mein liebster Kletterpartner und in der folgenden Woche in Südtirol stieg Achim in einem unbeobachteten Moment plötzlich wieder 6a+ vor.

Keilschrofen – Fazit

Für uns war Keilschrofen sicherlich ein einmaliges Erlebnis, doch es war für die Situation genau der richtige Klettergarten.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es für Aspiranten des 5. Franzosengrades ideal für den Einstieg ist. Wenn es der Einstieg in einen neuen Grad ist, dann braucht man etwas länger und dann ist es auch in Ordnung, dass es nur so wenige Routen sind.

Und ich muss sagen, für mich waren die Routen alle schön und lohnenswert.

Es besteht immer die Gefahr, dass unattraktive Routen dabei sind. Gerade bei geringer Routenauswahl kann es passieren, dass nur wenig Interessantes übrig bleibt. So erging es mir in Keilschrofen nicht. Für uns war es ein rundum gelungener Klettertag.

Exkurs Standortwahl

Wie immer, wenn es in eine neue Kletterregion geht, stellte sich die Frage nach dem idealen Standort.

Wer meinen Blog regelmäßig verfolgt, weiß, dass ich ganz kletteruntypisch eine Ferienwohnung dem Campingplatz vorziehe. Da wir mit nur einer Woche Vorlauf und dann auch noch Freitag bis Freitag buchten, blickten wir auf eine recht überschaubare Auswahl.

Trotzdem klopften wir die Orte auf die wichtigsten Gegebenheiten ab:

  • Bäcker fußläufig?
  • Supermarkt fußläufig?
  • Restaurants fußläufig?
  • Wohnung mit Außenbereich?
  • guter Ausgangspunkt, um in alle Richtungen zu kommen ohne erst viele Serpentinen fahren zu müssen?
  • nicht direkt an der Hauptstraße?
  • Parkplatz?
  • ???

Es wurde Prutz und auch wenn es von den möglichen Orten in der Gegend derjenige mit der am wenigsten imposanten Alpen-Aussicht ist, so verfügt er doch über alle anderen Punkte und überzeugte uns damit.

Achim holte jeden Morgen zu Fuß Brötchen während ich mich um Kaffee und Spiegeleier kümmerte. Auch den einen oder anderen gemütlichen Einkehrschwung haben wir fußläufig ums Eck gefunden.

Ein kleines zusätzliches Plus war die öffentliche Zapfanlage für Quellwasser gegenüber vom Campingplatz und direkt neben einer etwas verwunderlichen Kletterwand. Erst lasen wir es online, dann sahen wir es: die Griffe und Tritte waren extra in den Fels gehauen.

Doch das Wasser war lecker und wir fühlten uns gleich ganz gekräftigt nach dem Genuss.

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Hardfacts für eilige Leser

Kletterführer: Es gibt keinen, doch finden sich alle Informationen inklusive Topo auf climbers-paradise(dot)com. Dort lässt sich auch vorab die nähere Umgebung nach weiteren interessanten Klettergärten erkunden.

Routenauswahl: Der obere Sektor bietet sieben Routen von 5a bis 5c mit einer Höhe bis zu 12 Metern, wovon die linke 5a nur als Toprope geklettert werden kann. Der untere Sektor hat angeblich drei Routen von 4c bis 6a+, den haben wir aber nicht gefunden. Scheinbar werden aktuell direkt unter dem oberen Sektor weitere Routen eingebohrt, doch die sehen ob des Daches eher schwerer aus.

Material: Ein 40 Meter Seil reicht, dafür sollten mindestens sechs Exen im Gepäck sein, so gut ist die Absicherung der 12 Kletter-Meter. Keile und Friends können beruhigt im Auto bleiben.

Zustieg: Parken am Quellalpin in Feichten. Die Wegbeschreibung findet sich beim Topo.

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