Coll de Nargó (Katalonien) – geruhsames Sport- und Mehrseillängenklettern bis 6a+
Schon von weitem sieht man die imposante Felskulisse. Und schon bei der Anfahrt wächst die Vorfreude auf das Klettern in Coll de Nargó mit jedem Meter, den man sich dem beschaulichen Ort nähert.
Das Klettern in Coll de Nargó bietet Sportklettern und Mehrseillängen in allen Schwierigkeitsgraden und auch eine große Auswahl an Sportkletterrouten bis 6a+. Gute Absicherungen und kurze Zustiege laden zu mehreren Tagen reinstem Klettervergnügen ein!
Nach Sant Llorenç de Montgai war das Klettern in Coll de Nargó die zweite Station unseres herbstlichen Kletterurlaubs in Katalonien. Und wieder ein Glücksgriff.
Klettern in Coll de Nargó – die Rahmenbedingungen
Das gemütlich auf einem Hügel gelegene Dorf Coll de Nargó am Fluß Segre lockt mit verwinkelten Gassen, zwei Bäckereien, einem erstaunlich gut sortierten Supermarkt – vor allem die Wein- und Käseauswahl ist beeindruckend – und einer Kletterkneipe. Aber dazu später mehr.
Und natürlich lockt das Highlight: Oben, wie ein Dinosaurierrücken, liegt das Klettergebiet, das dem Ort seinen Namen gibt. Der Blick auf den Felsriegel bietet sich immer wieder, wenn man durch den Ort schlendert. Wer lange genug sucht, findet auch einen schönen Aussichtspunkt. Dieser scheint wie geschaffen für schmachtende Kletterer.
Kletterführer
Die Felsen von Coll de Nargó sind in den Kletterführern:
- „Lleida Climbs“ – 3. Auflage 2019: 22 Klettergebiete mit fast 3.900 Wegen
- „Roca España“ – 1. Auflage von 2012: 70 Sportklettergebiete in den Pyrenäen und Aragon
enthalten, die man sich bereits vor der Anreise besorgen kann. Einen lokalen Kletterführer gibt es vor Ort in der Klettererkneipe Bar la Societat.
Mit den beiden Kletterführern hatten wir mehrere Tage Kletterspaß und die beiden haben sich gut ergänzt. Interessant ist, dass es einerseits große Überschneidungen gibt, andererseits aber auch Sektoren, die nur einer hat. Deshalb war ich froh, beide dabei zu haben.
Die Mehrseillängen haben wir mit 50 Meter langen Doppelseilen geklettert und sind damit gut zurechtgekommen. Abgeseilt wurde über die Route.
Bei den Sportkletterrouten kommt man meistens mit einem 60 Meter Einfachseil aus.
Kletterangebot bis 6a+
Im Schwierigkeitsbereich bis 6a+ werden einige Mehrseillängentouren angeboten. Zwei davon sind wir geklettert. Die Hakenabstände sind, sagen wir mal, für den südfrankreichverwöhnten Kletterer gewöhnungsbedürftig. Oder ganz einfach: Man sollte mit einer guten Vorstiegsmoral gesegnet sein.
Immerhin muss man dafür nicht so viele Exen an den Felsfuß schleppen. Konkret bedeutet dies, dass die Absicherung in den Mehrseillängen zwar ausreichend ist, die Kletterei aber wahrlich nicht als übersichert bezeichnet werden kann.
Beim Sportklettern in Coll de Nargó hingegen gibt es eine große Auswahl an Routen mit Schwierigkeiten bis maximal 6a+. Auch hier variiert die Absicherung. Insgesamt ist sie als gut zu bezeichnen, aber auch eher auf der etwas weiteren Seite angesiedelt. Wie so oft werden die Hakenabstände mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad kürzer.
Wahrscheinlich hängt es auch vom Alter des Weges und vom Erschließer ab. Grundsätzlich ist die Absicherung gut, aber bei den älteren Routen wurden die Haken einfach sehr gezielt gesetzt. Einige der sanierten Routen haben zusätzliche Sicherungspunkte erhalten.
Die kletterfreundliche Ausrichtung der Felsen nach Süden ist ideal für das Klettern in Coll de Nargó im Herbst, Winter und Frühjahr. An einem sonnigen Tag kann man bei einstelligen Temperaturen im Ort starten und später im T-Shirt am Fels klettern.
Wer sehr gut zu Fuß ist, kann vom Ort aus zu den Felsen wandern. Alle anderen freuen sich über die kurzen Zustiege nach wenigen Autominuten.
Am Hauptparkplatz stehen einige Felsnadeln herum, die von allen Seiten beklettert werden können. Die Ausrichtung ist dabei frei wählbar.
Mehrseillängen bis 6a+ – unsere Routenauswahl
Laut unseren Kletterführern ist die Auswahl an Mehrseillängenrouten bis 6a+ gering. Allerdings gibt es an den Felsen mehr Routen als in den Kletterführern verzeichnet sind, so dass ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob nicht doch eine beträchtliche Anzahl solcher Routen existiert.
Einen Tag verbrachten wir mit Mehrseillängenklettern. Im rechten Teil des Sektors Paret del Grau sind drei Routen im LLeida Climbs verzeichnet. Weitere Routennamen waren am Fels angebracht.
Unsere beiden Routen waren:
- Africa (5b) – 90 m, 3 SL – L1: 5a, L2: 5b, L3: 5b
- El Jardi de les Mentides (V) – 90 m, 3 SL – L1: V-, L2: V-, L3: V
Die Africa ist in beiden Kletterführern enthalten und die El Jardi de les Mentides wird im Roca España zwar erwähnt, allerdings nur mit der Information „?“. Am Felsen sind die Routennamen angeschrieben.
Im Blog von Romàntic Guerrer ist ein Topo der Route El Jardi de les Mentides veröffentlicht. Mit diesem sind wir auch geklettert, aber das Topo stimmt nicht mit dem überein, was wir beim Klettern in Coll de Nargó vorgefunden haben. Dort sind 60 Klettermeter angegeben, es waren aber ca. 90, denn der letzte Stand war auf gleicher Höhe wie der der Route Africa.
Beide Routen sind eingerichtet, aber nicht sehr hakenreich. Vorstiegsmoral ist also gefragt. Außerdem sind beide meiner Meinung nach anspruchsvoller als die angegebenen Schwierigkeitsgrade vermuten lassen.
Sie liegen nahe beieinander und können beide an einem Tag geklettert werden.
Sportklettern bis 6a+ – unsere Sektorenauswahl
Sportklettersektoren mit Routen bis 6a+ sind ausreichend vorhanden. Man kann problemlos mehrere Tage in Coll de Nargó klettern, ohne eine Route zweimal klettern zu müssen.
Freundlicherweise liegen die Sektoren nebeneinander, so dass man je nach persönlichem Bedürfnis und Felsfülle munter hin und her wechseln kann.
Besonders schön ist, dass es in den Sektoren auch schwierigere Routen gibt, was das Klettern in Coll de Nargó auch für Seilschaften und Klettergruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen attraktiv macht.
Wir haben unsere Kletterzeit vor Ort in den Sektoren:
- el Deposit
- Bel Canto
und in der Umgebung gab es noch viel mehr zu klettern.
Zwei nebeneinanderliegende und sich den gleichen Umlenker teilenden Routen, die
- Perxeros (6b) – 25 m
- Via del Xut (6a) – 25 m
haben es mir besonders angetan, da sie besonders vielseitig sind:
Boulderpassagen, Plattenschleichen und geruhsames Klettern an kompaktem Fels in einer Route – einfach grandios.
Auch sonst haben mich die Routen überzeugt. Für mich ist es immer wieder schön, Gebiete mit einer so vielfältigen Auswahl zu finden.
Infrastruktur
In Coll de Nargó gibt es Ferienwohnungen, die durch ihre schöne Aussicht auf den Felsriegel und die fußläufigen Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten überzeugen. Es gibt aber auch eine Hotelalternative. Der Zustieg wäre auch direkt vom Dorf aus möglich, kann aber durch wenige Autominuten abgekürzt werden.
Mit der Kletterkneipe – der Bar la Societat – gibt es eine besondere Einkehrmöglichkeit. Der Schwerpunkt liegt nach meinem Eindruck auf Bier, aber auch selbstgemachte Pizza und Sandwiches werden angeboten.
Ab dem frühen Abend füllt sich die Bar mit Menschen in allen möglichen Kletterbekleidungen. Über dem Duft der Pizza vermischen sich die unterschiedlichsten Sprachen. Doch eines haben alle gemeinsam: Klettern ist das Thema. Und hier gibt es auch den lokalen Kletterführer.
Um das Angebot abzurunden, steht dort eine „Bolt-Fund-Box“ bereit, deren Infomaterial darüber informiert, dass es aktuell um die Ausstattung der Abseilstände mit zwei Haken plus Kette geht. Neue Touren werden auf Instagram veröffentlicht.
Wer seine Kletterausrüstung technisch oder modisch erweitern möchte, muss von der Bar aus nicht weit gehen, denn direkt gegenüber befindet sich ein kleiner Kletterladen.
Ansonsten gibt es zwei Bäckereien, einen Supermarkt und mehrere Restaurants, deren Öffnungszeiten ich nicht herausbekommen habe. Aber dank der Ferienwohnung und dem kulinarischen Angebot der Bäckereien und der Bar war für das leibliche Wohl vor Ort ausreichend gesorgt.
Und weil das alles noch nicht genug an klettertouristischer Infrastruktur zu sein scheint, gibt es am höchsten Punkt noch einen wunderschönen Aussichtspunkt mit freiem Blick auf unser Objekt der Begierde – den Dinosaurierrücken, der in Coll de Nargó zum Klettern einlädt und wie ein schlafender Riese über den Ort zu wachen scheint.
Ansonsten ist der Ort sehr malerisch und schlendern durch die engen Gassen macht einfach Spaß.
Fazit – Klettern in Katalonien
Das Klettern in Coll de Nargó ist für mich untrennbar mit dem Sportklettern verbunden. Es hat mir so gut gefallen, dass ich bestimmt nicht das letzte Mal hier war. Wunderschöne Routen warten auf mich und die Hakenabstände trainieren meine Vorstiegsmoral (oder lassen mich gemütlich im Toprope coole Moves ausprobieren).
Allerdings würde ich nicht extra zum Coll de Nargó fahren, um Mehrseillängen zu klettern. Es gibt zwar eine überschaubare Auswahl an Routen bis 6a+, aber die haben mich einfach nicht gereizt. Da hat das gar nicht weit entfernte Sant Llorenç de Montgai deutlich mehr und deutlich attraktiveres zu bieten.
Alles in allem sorgen die entspannte Atmosphäre des Ortes, die gute Infrastruktur – allen voran natürlich die Kletterbar – und die kurzen Wege vor Ort für ein gutes Gefühl. Was begehrt das Klettererherz mehr?
Das riesige Kletterangebot sowie die Möglichkeiten der kulinarischen Versorgung laden zu mehrtägigem Kletterspaß ein.
Hardfacts für eilige Lesende
Kletterführer: „Lleida Climbs – 3. Auflage 2019: 22 Klettergebiete mit fast 3.900 Wegen“, „Roca España – 1. Auflage von 2012: 70 Sportklettergebiete in den Pyrenäen und Aragon“ sowie lokaler Kletterführer, und wenn doch nicht alles darin zu finden ist, kann man zusätzlich einen angeschriebener Routenname in die Suchmaschine eingegeben.
Kletterangebot: Lohnenswertes Angebot an nach Süden ausgerichteten Sportkletterrouten bis 6a+ – ideal für Herbst, Winter Frühling – mit kurzen Zustiegen. Überschaubare Anzahl am Mehrseillängenrouten bis 6a+, die bei Bedarf begangen werden können.
Absicherung: Vor allem die Mehrseillängen können wahrlich nicht als übersichert bezeichnet werden. In den neueren bzw. sanierten Sportkletterrouten stecken ein paar mehr Haken als in den älteren. Alles in allem können Klemmkeile und Friends getrost zu Hause bleiben.
Infrastruktur: Im Ort gibt es Ferienwohnungen und ein Hotel. Zwei Bäckereien und ein Supermarkt sorgen für eine gute Einkaufsinfrastruktur. Die Kletterbar „Bar la Societat“ sorgt zusätzlich dafür, dass man sich beim Klettern am Coll de Nargó willkommen fühlt.