Champagnerluft und Kletterlust – Klettern in Vertus bis 6a+
Es ist wie verhext: Der Felsriegel von Vertus thront unübersehbar über den Weinbergen der Champagne, und doch ist nicht klar, welcher Feldweg zum ersehnten Klettervergnügen führt. Klettern in der Champagne ist unser Begehr und wir geben nicht auf bis wir Hand an den Fels gelegt haben!
Die malerische Region ist nicht nur für ihre exquisiten Schaumweine bekannt: Sie ist auch ein kleines Paradies für Sportkletterer, die leichte Herausforderungen lieben.
Warum zum Klettern in die Champagne?
Ich hatte bisher weder viel über Champagner noch über die Region, aus der er kommt, nachgedacht. Und doch, schon der Name strahlt etwas Glamouröses aus: Etwas Geheimnisvolles, etwas, das entdeckt werden will. Es braucht nur noch einen Anlass …
… und als ich dann in einem Food-Podcast die Worte
hörte, da wusste ich: Die nächste Gelegenheit wird genutzt. Irgendwann muss ich dorthin.
Dorthin, wo der Champagner herkommt. Und mich näher mit ihm beschäftigen.
Kurz darauf war es dann soweit. Auf dem Weg nach Fontainebleau (Bouldern in F. ist eine andere Geschichte und wird sicher irgendwann an anderer Stelle erzählt) kommen wir Norddeutschen ganz automatisch durch die Champagne.
Natürlich könnte man die Strecke auch in einem Rutsch zurücklegen, aber warum? Zum entspannten Reisen gehört ein Zwischenstopp. Und der Gedanke, die Champagne kennenzulernen, hatte sich eh schon festgesetzt.
Außerdem: Champagne ist an sich schon ein klangvoller Name, aber wie ist es erst mit:
Klettern in der Champagne?
Ein Blick in den Kletterführer
verriet mir, dass es in der Gegend etwas zu klettern gibt. Ich musste Achim nicht lange überzeugen. Die Planung konnte beginnen.
Klettern in der Champagne – ein Überblick
Der Kletterführer weist für die Champagne 12 Klettergebiete aus:
- Alphabetisch geht es von A wie Audun-le-Tiche bis V wie Vertus.
- Regional geht es von Pas-Bayard im Norden nach Cohons im Süden und Vertus im Westen bis Maron im Osten.
- Die Klettermeter reichen von kurzen 6 Metern in Audun-le-Tiche (bis max. 12 Meter) und Pas Bayard (bis 10 Meter) über mittlere Längen in Bourmont (11 – 16 Meter) und Vertus (8 – 20 Meter) bis zu höheren Wänden wie Cohons (19 – 25 Meter) und Corpias (15 – 30 Meter).
Alle Gebiete bieten Routen bis 6a+ und aufgrund der angegebenen Klettermeter sollte man überall mit einem 60 m Seil auskommen.
Insgesamt bietet der Kletterführer eine Fülle von Informationen rund um das Klettern:
- über 250 Felsen im Nordosten Frankreichs
- über 12.000 Routen
- über 200 Hinweise auf Picknick-Plätze
- über 100 Empfehlungen für Campingplätze
Vertus – Ein verborgenes Juwel für Kletterfreunde
Unsere Wahl fiel auf Vertus. Einerseits liegt der Ort nah an unserer Route nach Fontainebleau und andererseits liegt er nahe am bekannten Champagnerort Epernay. Irgendwie muss man sich entscheiden und soviel sei hier schon gesagt, wir haben es nicht bereut.
Vertus liegt idyllisch inmitten der sanften Hügel der Champagne. Schon bei der Anfahrt sieht man den Felsriegel, der zum Klettern in der Champagne einlädt. Erhaben thront er über den Weinbergen der Champagne.
Im Gespräch am Felsfuß erfuhr ich dann, dass Vertus auch der Kletterfelsen ist, der Paris am nächsten liegt. Eine Erkenntnis, zu der man an einem sonnigen Samstag im Mai wahrscheinlich besonders leicht kommt. Aber der Felsriegel bietet mit seinen rund 150 Routen genug Platz für alle.
Einladend schaut der Kalkfels aus, der mit irgendwas gemischt ist. Mal geht es gerade nach oben, aber auch Überhänge bis hin zum „hard cave climbing“ sind im Angebot. Und immer lockt er mit Löchern, guter Absicherung und leichter Routenfindung. Letzteres verdankt er den Namensschildern am Felsfuß.
Es verteilen sich 146 Routen auf zwei Sektoren:
Tipp für die Anfahrt: „Vertus – Rue de Falloise“ ins Navi eingeben und ab dort der Ausschilderung folgen.
Infrastruktur – Wohnen, Essen und Champagner
Vertus ist das nächstgelegene Klettergebiet zu Epernay, der „Hauptstadt“ der Champagne. Und da wir gerne das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, suchten wir uns, der Champagnerluft folgend, eine Ferienwohnung in Epernay. Im Ort hatten wir kurze Wege und auch die Kletterfelsen waren nur wenige Autominuten entfernt.
Epernay als Hauptort und damit Touristenmagnet bietet alle möglichen Übernachtungsalternativen: von einfach und günstig bis exquisit und teuer. Allen gemeinsam ist, dass beim Öffnen des Fensters Champagnerluft und Grandessa einströmt.
Auch kulinarisch ist für Abwechslung gesorgt: Es gibt kleine Bars, die zum Aperitif Kleinigkeiten wie Schinken und Käse anbieten, Pizza zum Mitnehmen und vom Michelin empfohlene Restaurants mit mehrgängigen Menüs. Und vieles dazwischen.
Wer sich für ein Restaurant entschieden hat, steht vor einer besonderen Herausforderung: Die Weinkarte, pardon, die Champagnerkarte. Nun, man geht ja nicht hin, um Bier zu trinken.
Die Länge und Ausführlichkeit der Champagnerkarte erschlägt im ersten Moment. Wer sich noch an die gelben Telefonbücher großer Städte wie beispielsweise Hamburg erinnert, hat eine Ahnung …
Nach dem Namen des Winzers werden wir über die Zusammensetzung der Rebsorten, den Jahrgang und die Lage informiert. Abgerundet wird das Ganze durch wunderbare Worte, die uns das Wesen des Perlweins näher bringen sollen. Natürlich auf französisch, das klingt noch schöner.
Und egal, wohin man schaut. Überall steht Champagner zum Essen auf dem Tisch.
Um es kurz zu machen: Ich bin jetzt Fan!
Champagner verkosten und kaufen
In und um Epernay sind alle großen Namen vertreten. Die Hersteller laden in ihre Degustationsboutiquen ein, wo man gegen eine Gebühr Champagner im Glas probieren kann. Dies ist ohne Voranmeldung möglich.
Einige Winzer bieten zusätzlich zu den Verkostungen auch Führungen an (beides kostenpflichtig). Diese müssen im Voraus gebucht werden. Manche bieten Champagnerproben auch nur mit Termin an.
Die schiere Masse an Angeboten macht es schwer zu entscheiden, was man probieren bzw. trinken soll. Wir sind mit zwei Möglichkeiten gut gefahren:
- Da in Epernay jede Bar und jedes Restaurant Champagner anbietet, kann man sich dort beraten lassen und ihn zum Aperitif oder zum Essen trinken. Gefällt er, geht man hin und kauft.
- Wenn man von außen sieht, dass man ohne Voranmeldung reingehen kann und es nett aussieht, dann ist es meistens so.
Und je weiter man sich von Epernay entfernt, desto einfacher wird es, ein Champagnergut zu besuchen und eine „klassische“ Verkostung zu machen. Also: Reingehen, probieren und entscheiden, ob und wie viel man kauft. Oft ist dies mit einem freundlichen Gespräch verbunden.
Fazit – Klettern in der Champagne
Die malerische Region Vertus in der Champagne ist definitv einen Stopp wert. Neben gut abgesicherter Sportkletterei in griffigem Fels mit abwechslungsreichen Routen kann man hier auch noch exquisite Schaumweine genießen.
Was Vertus besonders attraktiv macht, ist die einzigartige Kulisse. Während des Kletterns genießt man nicht nur die frische Champagnerluft und die Kletterlust, sondern auch den Blick auf endlose Weinberge, die sich bis zum Horizont erstrecken.
Wer mag, kann nach einem erfolgreichen Klettertag mit einem Glas feinstem Champagner anstoßen und den Erfolg feiern.
Ich werde auf jeden Fall wieder meine Ausrüstung einpacken und mich von den vertikalen Wundern der Champagne verzaubern lassen!
Hardfacts für eilige Lesende
Kletterführer: „France Roc 2 – Est/East – Escalade pour le Week-End“ von David Atchison-Jones, Jingo Wobbly-Verlag, 2019 sowie sicherlich lokale Kletterführer. Die Franzosen, die ich vor Ort gesehen habe, hatten zusammenkopierte Unterlagen dabei …
Kletterangebot: Lohnenswertes Angebot an nach Nordosten ausgerichteten Sportkletterrouten bis 6a+. Nach einem kurzen Zustieg zum gut sichtbaren Felsriegel ist die Orientierung dank der Namensschilder an den Routen leicht.
Absicherung: Aufgrund der guten Absicherung fühlen sich Vorstiegsneulinge sicherlich wohl. Alle anderen werden sich bestimmt nicht beschweren.
Infrastruktur: Epernay ist nur wenige Autominuten entfernt und hat alles, was man an touristischer Infrastruktur brauchen kann.
Champagner kaufen im Kletterurlaub: Wenn die Bouldermatte schon den Kofferraum füllt, dann ist es etwas eingeschränkt, aber nicht unmöglich.