Klettern am Kanstein – Wundersame Route: Pfingstkante (5a)
Das Klettern der Pfingstkante am Kanstein ist ein Genuß. Doch seit meinem letzten Besuch weiß ich etwas mehr über die Pfingstkante und ich möchte euch an dieser wundersamen Geschichte teilhaben lassen.
Klettern der Pfingstkante ist an Pfingsten obligatorisch
Ich bin schon ganz aufgeregt. Morgen ist Pfingsten, da wird richtig was los sein. Endlich werde ich gebührend beachtet. In den letzten Jahren wurde es immer besser, mehr und mehr Menschen kamen und haben mich bewundert, angefasst und haben sich mit einem Lächeln im Gesicht an mir hochgearbeitet.
Ich glaube, das hängt mit Rouven zusammen. Rouven ist ein echter Freund, er hat sich sehr um meine Freunde hier im Wald und um mich verdient gemacht. Gerne schleppt Rouven nicht nur sein Klettergerümpel an den Fels, nein er bringt seine Kamera und komische schwarze Dinge, die er in der Nähe verteilt und die ab und zu aufblitzen, mit. Wenn Rouven kommt versuche ich, mich stärker in den Wind zu lehnen, damit der Staub angepustet wird. Gleichzeitig versuche ich, Rouven vor dem Wind zu schützen. Ich blicke nach Norden und Sonne kenne ich kaum. Die Menschen werden davon schnell unleidig, besonders wenn noch Wind dazukommt, das habe ich bereits häufiger erlebt.
Auch versuche ich meine kühle, griffige Oberfläche für Menschen attraktiv und für die Spinnen unattraktiv zu machen. Dabei helfen mir die Menschen sogar. Wenn sie an mir hochklettern greifen sie in Spinnennetze – ich höre dann häufiger ein „Huch, hier war anscheinend lange niemand“ und manchmal pusten sie mich an. Das fühlt sich schön an. Ganz warm wird mir dann, ich mag die pustenden Menschen. Ich glaube fest, sie wollen, dass es mir gutgeht, so dass sie mich noch oft besuchen können. Da verzeihe ich ihnen auch, dass sie mir Haken in die oberste Felsschicht gehauen haben. Auf der anderen Seite, die Haken glänzen, es ist fast wie Schmuck und es hat nur ein klitzekleines bisschen weh getan.
Toll finde ich, wenn die Menschen extra Sachen aus Metall für mich mitbringen, sie nennen das „Keile“ und „Friends“. Mit diesen und mit Schlingen schmücken sich mich dann. Das tut nicht weh.
Ich weiß nur nicht, warum sie die nicht an mir hängen lassen. Das wirkliche Geschenk ist aber, dass sie sich lange mit mir beschäftigen.
Ich weiß nicht, wie alt ich bin, vermutlich mehrere hundert Jahre. Den Rouven kenne ich lange, er kommt bestimmt seit 20 Jahren regelmäßig vorbei. Ein treuer Freund. Durch ihn wurde ich richtig bekannt. Er hat ein tolles Foto von mir gemacht – Doreen streichelt mich darauf und krauelt meine rechte und meine linke Seite, genauso wie ich es mag.
Sie lächelt und ich fühle durch ihre Berührung, wie glücklich sie ist, dass sie hier sein darf. Da werde ich weicher und verstecke meine scharfkantigen Griffe, ich will ihr nicht wehtun.
Das Foto, das Rouven von mir (und Doreen) gemacht hat, habe ich oft gesehen und auch die Menschen darüber sprechen hören. Seitdem es das gibt, kommen häufiger Menschen vorbei. Die haben das Buch dabei, mit dem Bild der lächelnden Doreen und mir. Da schaue ich den Menschen gerne über die Schulter und erfreue mich meiner ganzen Pracht.
„Drei Sterne hat die Pfingstkante, lass uns die machen“, das höre ich viel. Und nach vielen Jahren habe ich einen Namen bekommen – ich heiße Pfingstkante. Was immer auch drei Sterne sind, Hauptsache die Menschen kommen und erfreuen sich an mir.
Und morgen ist Pfingsten. Das weiß ich seit dem letzten Jahr, dann kommen sie extra meinetwegen den langen Weg aus Salzhemmendorf. Sie klettern an mir hoch und Freunde machen Fotos von mir, naja und dem Menschen.
Die Pfingstkante erinnert sich …
Warum ich mich an das letzte Jahr erinnere?
Vier Menschen kamen, sie bewunderten mich, überlegten ob sie mich von Felsfuß bis Felskopf streicheln und berühren oder einen kleinen Quergang machen. Ich finde beide Alternativen prima.
Die ersten zwei Menschen beglückten mich vom Felsfuß her. Die anderen Menschen schauten zu.
„Ah die Pfingstkante“, sagte der erste Mensch, „die müssen wir unbedingt heute machen.“
„Auf jeden Fall“, hörte ich einen anderen Menschen antworten.
„Auf dem Foto ist Doreen und sie hat drei Sterne – unbedingt, das ist reizvoll“, sagte der dritte Mensch.
Menschen Nummer 3 und 4 wählten den Quergang und alles an mir wurde gepflegt und gehegt.
Ich glaube, ich bin für manche anstrengend. Gerne setzen sich die Menschen in meine Nähe und trinken Kaffee, was die an Kaffee mögen ist mir unverständlich, ich finde Landregen viel schöner. So einer, der mich sanft und gleichmäßig benetzt, so dass ich mich sauber und gestreichelt fühle. Landregen ist fast so schön, wie von Menschen gestreichelt zu werden.
Auf jeden Fall, zurück zum letzten Jahr: Die vier Menschen saßen vor mir beim Kaffee und auf einmal höre ich Mensch Nummer drei sagen, „das ist ja die Pfingstkante.“
„Ja“, sagen die anderen drei Menschen.
„Und heute ist Pfingsten“, sagt der dritte Mensch, „deswegen mussten wir die machen.“
Schweigen.
„Das ist nicht dein Ernst, dass du das jetzt erst verstehst …“ vermischt sich mit lautem Gelächter der anderen.
Wenn sich die Menschen an mir erfreuen strahlen alle meine Unebenheiten besonders und ich versuche, sie ins beste Licht zu rücken. Und seit letztem Jahr weiß ich – das Klettern der Pfingstkante ist an Pfingsten obligatorisch. Ich freue mich auf morgen!